Grundlagen mittelalterlicher Denkmuster von Stephan Zöllner
Hirarchie und Herrschaftsverhältnisse
Grundlagen
Da das Hohe Mittelalter ca. 250 Jahre umfaßt und die Entwicklung der Gesellschaft zu keinem Punkt stillstand, ist es nicht ohne weiteres möglich, allgemeingültige Angaben zu einer bestehenden Gesellschaftssruktur zu machen. Außerdem wurden Verträge regional verschieden gehandhabt und, genau wie heute, oft individuell ausgehandelt. Hinzu kommt, daß ein Lehen gegeben, genommen oder angetragen werden konnte. Ein Adeliger konnte auch Lehensnehmer von mehreren Lehensherren (z.B. von benachbarten Höhergestellten oder Königen) sein, was oft zu Interessenskonflikten führte. Ebenso entstanden Unsicherheiten und Konflikte wegen ungeklährter Rechtslagen, die auf Widersprüche zwischen Gewohnheitsrecht, Erbrecht oder nicht eindeutigen Verträgen beruhten. Als weitere Ursache muß berücksichtigt werden, daß Titel und Macht nicht in einem festgelegten Zusammenhang stehen mußten. Nicht einmal der Rückschluß, daß viel Land (große Lehensgüter oder Grundbesitz) den entsprechenden Reichtum oder der Macht entsprach, ist sicher.
Der Heerschild (nach dem Sachsen- und Schwabenspiegel)
Der Sachsenspiegel ist das älteste und in seiner Zeit wichtigste deutsche Rechtsbuch. Er wurde in den Jahren 1220 bis 1235 von Eike von Repgau verfaßt.
Der Schwabenspiegel ist das zweite deutsche Rechtsbuch. Er wurde um 1275 von einem unbekannten Geistlichen in Augsburg verfaßt.
Der Heerschild stellt warscheinlich den Versuch dar, die deutsche Adels- und Lehens-Struktur, die im Laufe der Zeit völlig zersplittert und unübersichtlich geworden war, wenigstens im militärischen Bereich, zu vereinfachen. Daher ist anzunehmen, daß die angegebene Hirarchie weniger die Tatsachen widerspiegelt, sondern eher den angestrebten und vereifachten Zustand darstellt. Diese Vermutung wird durch viele Urkunden und Verträge gestützt, in denen es immer wieder um die Wahrung der Ordnung und Rechtssicherheit ging. Trotzdem wird der Heerschild meistens herangezogen, um die mittelalterliche Lehenspyramide zu untermauern.
Die Gesamtstruktur als solche ist sicherlich zutreffend und hilft bei einer einführenden Orientierung, aber die Verhältnisse waren keineswegs statisch und weitaus komplexer, als der Heerschild dies vermuten läßt. Sie zu verstehen, setzt ausgedehnte Literatur- und Quellen-Studien voraus. Ähnlich komplex waren die Verhältnisse im 3. Stand, denn es gab Leibeigene, Halbfreie (persönlich frei aber sachgebunden), Freie Bauern und Städter.
Grundsätzlich darf man aber davon ausgehen, daß die anfangs sehr durchlässigen Grenzen zwischen den einzelnen Bevölkerungsschichten (Stände) sich nach und nach verfestigten ("Constitutio de feudis": mittelbare Lehen werden erblich, 28.5.1037), bis sie durch das entstehende und wachsende Bürgertum im ausgehenden Mittelalter aufgebrochen wurden.
Heerschild | Titel | Herkunft | Bedeutung, Funktion |
1. | König (rex) und Kaiser (imperator) | gewählter Fürst | oberster Lehns- und Kriegsherr |
2. | geistliche Fürsten | geistlicher Hochadel | Erzbischöfe, Bischöfe, Reichsäbte |
3. | Fürsten (principes) | weltlicher Hochadel | direkte Lehensnehmer des Königs |
4. | Grafen und Freiherren | meist niederer (Land-)Adel | Verwalter des Landes |
5. | Ministeriale und schöffenbare Freie | niederer Adel oder Unfreie | Amtsinhaber, Verwalter ... |
6. | Mannen des 5. Heerschildes | ||
7. | restliche rittermäßge Leute |
weitere wichtige Titel und Funktionen
Kurfürsten (principes ellectores) | 3. | Teilmenge der Fürsten | 7 Fürsten; wählten den König/Kaiser |
Herzöge | 3. | Teilmenge der Fürsten | militärischer Titel |
Die Entwicklung einer Stadt (Beispiel: Köln)
Warscheinlich haben manche der wesentlichen politischen Entwicklungen in den Städten begonnen und sich erst langsam in ländlichen Gebieten verbreitet. Darum darf man die zeitliche Zuordnung der für Köln vorgestellten Entwicklung nur als exemplarisch betrachten und nicht zeitgleich auf andere Städte oder Dörfer übertragen. Trozdem geben diese Stationen einen brauchbaren Umriss der Herrschaftsverhältnisse in der Entwicklung vom ursprünglich streng hirarchischen Lehenswesen bist zur teildemokratisch strukturierten Zunft-Gesellschaft wieder.