Mode im Hochmittelalter von Gabriele Klostermann
- Vorwort
- Entwicklung der Mode
- Gewandformen (1230 bis 1320)
- Gewandformen (1100 - 1230)
- Abbildungsnachweise
- Schnittmuster
Oberkleid
Die mittelalterlichen Bezeichnungen für Oberkleid lauten: kleit, cotte, kotta, roc.
Die Cotta war das Hauptkleidungsstück des Hochmittelalters. Sie wurde von Frauen und Männern und durch alle Schichten getragen. Vom Prinzip her bestand die Cotta aus je einem rechteckigen Rumpfteil für vorne und hinten, welches durch Ansetzen von Geren (keilförmige Stoffbahnen) nach unten hin erweitert wurde. Die Ärmel wurden zum Handgelenk hin schmaler.
Die Cotta war ein Schlupfkleid, d.h. sie wurde über den Kopf gezogen. Der Halsausschnitt lag eng an und wurde vorne durch einen Schlitz erweitert, damit der Kopf hindurch passte. Eine detailliertere Beschreibung des Schnittes ist unter Schnittmuster zu finden. Alle anderen Kleidungsstücke mit Ärmeln sowie der Surkot sind gewissermaßen Varianten des Cotta-Schnittes.
Das Hauptmaterial der Cotta war Wolle, bei sehr wohlhabenden Personen Seide. Leinen wurde hauptsächlich für Unterkleider gebraucht.
Vorher man weiß, dass Oberkleider hauptsächlich aus Wolle waren? Nun, weil alle bekannten Funde (z.B. Kleid der hl. Elisabeth, Funde aus London, Funde aus Herjolfsnes/Grönland, etc) von Oberbekleidung aus Wolle sind. Das könnte natürlich auch daran liegen, dass sich Wolle sehr viel besser im Boden hält. Leinen verrottet komplett, da es eine Pflanzenfaser ist. Ziehen wir nun die literarischen Quellen hinzu, zeigt sich jedoch wieder, dass hier im Zusammenhang mit Oberbekleidung hauptsächlich von Wolle und Seide gesprochen wird.
Hinzu kommt, dass Wolle viel besser fällt als Leinen, was für den angestrebten Faltenwurf, wie er auf Miniaturen und bei Skulpturen zu sehen ist, wichtig ist. Außerdem lässt sich nur Wolle (bzw. Seide) mit mittelalterlichen Methoden in den begehrten leuchtenden Farben färben. Leinen nimmt die Farbe mur schlecht an (mit Aunahme von Blau).
Und natürlich ist die Kombination von Leinen aus Unterkleidung und Wolle als Oberbekleidung vom Körperklima her einfach sinnvoll und praktisch. Leinen nimmt den Schweiß besser auf und Wolle reguliert das Klima.
Unterschiede zwischen arm und reich und Mann und Frau liegen in Qualität des Stoffes, Weite der Cotta, Farbigkeit, modischen Accessoires und der Länge. Im Folgenden sollen die vier Cotta-Typen Frau einfach, Mann einfach, Frau reich, Mann reich beschrieben werden. Arm und reich sind dabei jedoch willkürlich festgelegte Punkte, zwischen denen es natürlich fließende Übergänge gab.
Farben
Auffällig an dieser Epoche ist die Liebe zur Farbenpracht. Da es noch keinen Stoffdruck im heutigen Sinne gab, waren die Stoffe einfarbig, abgesehen von extrem teuren Brokatstoffen aus dem Orient. Also versuchte man die Farbenpracht durch das Kombinieren von möglichst vielen verschiedenen
Farben zu erreichen. Dabei sollten die Farben möglichst leuchtend sein.
In der Literatur werden oft Kleider beschrieben, die grasgrün oder blutrot waren. Solche Farben sind zwar mit Naturfarbstoffen tatsächlich zu realisieren, jedoch ist das nicht ganz billig, wenn die Farben dann auch noch halbwegs lichtecht sein sollten. Dies gilt vor allem für die Farben
rot und
blau. Auch ein kräfiges blaustichiges
Grün war teuer, da sich diese Farbe fast nur durch überfärben von Blau mit Gelb herstellen lässt. Diese drei Farben waren die beliebtesten. In der Literatur wird daneben auch noch
violett erwähnt.
Bei der Farbe Gelb muß man unterscheiden: Ein kräftiges Goldgelb wurde auch vom Adel getragen.
Bei Männern konnte der Waffenrock gelb sein, wenn Gelb die vorherrschende Wappenfarbe war, bei Frauen habe ich zumindest auf Abbildungen noch kein gelbes Gewand entdecken können.
Allerdings taucht Goldgelb immer wieder als Farbe des Futters auf (speziell in der Manesse).
Hellgelb dagegen war zumindest im Adel nicht gut gelitten. Dies hing neben der Tatsache, dass es sich einfach um eine billige Farbe handelt, auch von der
Farbsymbolik ab.
Um die Farbvielfalt noch zu erhöhen, konnte man das Überkleid aus zwei unterschiedlich farbigen
Hälften bestehen. So entstand der Mi-parti. Er kam im 12. Jahrhundert bereits auf, ist dort allerdings nur als Kleidung von Dienern zu sehen. In die höfische Mode zog er erst im 14. Jahrhundert ein. Selbst die unterschiedlich gefärbten Hälften konnten in sich noch einmal mit andersfarbigen Stoffen gestreift sein. Diese Extremform (mit Diagonalstreifen u.ä.) ist mir bisher aber hauptsächlich bei der Darstellung von Musikern und Gauklern aufgefallen.
Weniger teuere Farben gab es natürlich auch. Mit diesen konnten
Ziegelrot,
Olivgrün,
Braun und vor allem verschiedene
Gelbtöne gefärbt werden. Erschwinglicher mögen auch die Stoffe gewesen sein, im 2. oder 3. Auszug gefärbt wurden. Diese
Färbungen waren dann natürlich nicht mehr so kräftig, also vielleicht eher pastellig. Dies ist jedoch nur Spekulation.
Aber selbst diese konnte sich nicht jeder leisten. Zumal man zum
Färben auch das nötige Knowkow und die nötigen Zutaten braucht.
In den (meist fiktiven) Kleiderordnungen im Hochmittelalter wird immer wieder gefordert, dass Bauern nur graue Kleidung tragen sollten. Wobei "grau" hier mehr oder weniger die Abwesenheit von Farbe (also die natürliche Faserfarbe des Stoffes) meint. Wenn so etwas gefordert wurde oder die Nichteinhaltung dessen beklagt wurde, dann ist das natürlich ein Zeichen dafür, dass die
Realität anders aussah. Jeder, der konnte wird versucht haben, irgendwie "bunt" zu sein und so dem Adel nachzueifern. Inwieweit ein Bauer selber in der Lage gewesen sein mag, sich Stoff zu färben, kann man heute nur schwerlich sagen. Fest steht, dass eine gleichmäßige Färbung von fertigem Stoff nur in entsprechend großen Gefäßen möglich ist. Ein solches
Gefäß besitzt hat nicht jeder. Garnfärbung ist da schon einfacher. Aber hier besteht die Schwierigkeit darin, größere Mengen von Garn in ein und demselben Farbton zu färben, damit es beim Weben hinterher keine Streifen gibt. Alles in allem erfordert das Selberfärben entsprechendes Gerät, Zeit, und natürlich die
Färbedrogen selber - und last but not least das entsprechende Wissen. Vermutlich war Kaufen da noch einfacher. Von keinen Garnmengen, um z.B. farbige Gürtel oder Borten herzustellen sei hier einmal abgesehen. Summa sumarum würde ich sagen, einfache oder Arbeitskleidung war ungefärbt. Je mehr Geld und/oder Zeit man hatte, desto eher konnte man sich gefärbten Stoff leisten. Billiger war der einfache Färber, der mit einheimischen Farben einheimische Stoffe färbte. Für die "betuchteren" Leute kamen dann Stoffe aus z.B. Flandern in Frage, die für Ihre Qualität in Stoff und Farbe berühmt waren. Den Abschluß der Liste bilden dann die extrem teuren Seiden-Brokatstoffe aus dem Orient (später dann auch aus Italien).
Hier einmal ein paar Farbproben von möglichen Farben.
1 - 9 sind eher preiswerte einheimische Farben. 10 und 11 zwar auch, aber Seide ist dann wieder teurer (wobei es sich hier um eine leichte Futterseide handelt). 12 - 21 sind dann die teuereren Farben, die entweder importiert wurden oder aufwändig sind durch Mehrfachfärbungen.
Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Stoffe habe ich selber gefärbt,
- Reseda auf Wolle *
- Reseda auf Wolle, 2.Zug *
- Birkenblätter mit Eisenvitriol auf Wolle *
- Walnuss auf Wolle
- Holunder auf Wolle *
- Krapp auf dunkelbrauner Wolle, 4. Zug *
- Krapp auf Wolle *
- Krapp auf Wolle, 2. Zug *
- Indigo auf Wolle *
- Reseda auf Seide
- Kamille auf Seide
- Cochenille und Krapp auf Wolle
- Cochenille auf Wolle
- Cochenille mit Weinstein auf Wolle *
- Cochenille mit Weinstein auf Wolle, 2. Zug *
- Rotholz auf Wolle *
- Rotholz und Indigo auf Wolle (Doppelfärbung *)
- Cochenille mit Eisenvitriol auf Wolle *
- Indigo auf Wolle
- Indigo und Reseda auf Wolle (Mehrfachfärbung) *
- Indigo und Reseda auf Wolle (Mehrfachfärbung) *