bestickter Almosenbeutel
Beschreibung:
Der Almosenbeutel ist auf der Vorderseite komplett mit "Stickseide" (siehe auch Quellenprobleme) im einfachen Plattstich bestickt. Die Stickerei wurde auf Leinengrund ausgeführt, der hier nicht mehr zu sehen ist, da er komplett bestickt wurde. Als Vorlage dient ein höfisches Motiv - die Tafel 103 aus der Manesseschen Liederhandschrift in leicht abgewandelter Form. Die Rückseite ist unbestickt aus blauem Wollstoff. Die Kordel besteht aus 2 verschiedenfarbigen Strängen, die zusammengedreht wurden. An den Seiten und unten wurden Troddeln aus Stickseide angenäht.
Neben anderen Beutel und Taschen fallen auf hochmittelalterlichen Miniaturen und auch bei archäologischen Fundstücken immer wieder die sogenannten "Almosentaschen" auf. Diese fungierten offenbar als Geldbeutel und wurden von Männern und Frauen getragen.
Die Form ist im großen und ganzen immer dieselbe: eine rechteckige Tasche, die oben mit einer Kordel zusammengezogen wird. Alle Modelle, die ich bisher gesehen habe, weisen Troddeln oder troddelartige Verziehrungen auf.
Ausführung: Gabriele Klostermann (Tempora Nostra)
Quellen
Dies ist ein Ausschnitt aus der Manesseschen Liederhandschrift (Tafel 27). Er zeigt zwei Geldbeutel. Besonders bei dem gelben sind die Schnüre zum Zusammenziehen sowie die durch das Zuziehen entstenhenden Längsfalten gut zu erkennen.
Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus der Grabplatte der Erzbischofs Siegfried III. von Epstein aus dem Mainzer Dom (aus "Gotik", Seite 348, erschienen....) Wenn man das Bild anklickt, kann man eine vergrößerte Detailansicht des Beutels erhalten. Hier ist ebenfalls der Faltenwurf sehr schön zu sehen. Außerdem kann man den Befestigungsmechnismus am Gürtel erkennen.
Dies ist die Abbildung eines bestickten Geldbeutels. Er wurde zwischen 1170 und 1190 mit Seidenfäden auf Leinen gefertigt (aus "Die Kunst der Liebe im Mittelalter", Seite 18, erschienen im Könemannverlag). Die Sticktechnik ist nach Aussagen des Textes eine ähnliche wie die des Teppichs von Bayeux. Dargestellt ist ein höfisches Motiv.
Dies ist die Abbildung eines bestickten Geldbeutels aus dem Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Entstanden ist der Beutel um 1340 in Paris. Die eigentliche Stickerei ist in der Technik der Nadelmalrei entstanden und vermutlich mit Seide auf Leinen ausgeführt. Der Hintergrund enstand durch applizierte Gold- und Silberfäden auf Leinen. Auch hier wird ein höfische Motiv dargestellt. Die Schnur zum Zuziehen ist zweifach gedrehte Kordel. Durch Anklicken des Bildes kann man eine vergrößerte Detailansicht der Stickrei erhalten. (Aus "Die Kunst der Liebe im Mittelalter", Seite 51, erschienen im Könemannverlag)
Quellenprobleme
Da ich bisher noch kein Fundstück von einem Almosenbeutel für die Zeit der Hochgotik (ca 1230 - 1330) gefunden habe, war ich gezwungen, ein wenig zu "experimentieren".
Der Beutel von 1180 zeigt eindeutig noch die Vorläufer-Mode mit den langen Schlaufenärmeln, der Beutel von 1340 zeigt schon die neuere Mode. Beide Beutel weisen jedoch typsiche höfische Darstellungen auf (also ein Mann und eine Frau, die in einer bestimmen Minne-Beziehung zu einander stehen). Da man im Hochmittelalter gerne auf die Kompositionen anderer zurückgriff, habe ich mich entschieden, dies auch zu tun. Und was liegt bei höfischen Minne-Motiv näher, als auf die Manessesche Liederhandschrift zurückzugreifen?
Ich habe mich also entschlossen, das Motiv der Tafel 103 leicht abgewandelt nachzusticken. Verwendet habe ich dabei "Stickseide" auf Leinen. (Dummerweise habe ich mich von dem Begriff "Stickseide" fehlleiten lassen und habe erst beim ersten Nachkaufen des Stickgarns gemerkt, dass es Baumwolle war, seuftzascheaufmeinhaupt. Nun ja, neu anfangen mochte ich nicht wirklich... Alldieweil das heutige Baumwollstickgarn vom Glanz und den Eigenschaften her der damaligen Stickseide recht nahe kommt. Also, wer vor hat, sich auch so etwas zu sticken: achtet bloß auf die Etiketten!!!)